Seit Koehler und sein Team 2016 mit dem Superloft Houthaven den ersten Komplex fertiggestellt haben, sorgt die Vision des Amsterdamer Architekten, ein Netzwerk aus „urbanen Dörfern“ zu schaffen, für Aufsehen. Das mittlerweile internationale Wohnkonzept gilt weithin als kreative Antwort auf Zersiedelung und immer engere Stadtlandschaften (Superlofts Blok Y in Utrecht wurde kürzlich mit dem renommierten 2018 BNA Building of the Year Award ausgezeichnet). Es demonstriert eine neue Art des Wohnens in der Stadt, von der Koehler – selbst ein Bewohner von Superlofts Houthaven – glaubt, dass sie den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist.

Q&A

Woher hatten Sie die Idee für Superlofts?

Die Idee für Superlofts entstand vor ein paar Jahren, als diese Grundstücke in Houthaven zum Verkauf standen. Die Wirtschaft war am Boden, Banken gewährten nur zögerlich Kredite an Entwickler, es gab kaum neue Bauprojekte – hauptsächlich private Wohnhäuser und Grundstücke für den Bau von Eigenheimen. Das hat uns auf die Idee gebracht, diese personaliserbaren Module zu einem Gebäude aufeinanderzustapeln, wie ein riesiges Billy-Regal, in dem jeder sein eigenes Zuhause gestalten kann. Dank diesem Modell konnten wir es uns leisten, selbst in einer Wirtschaftskrise ein neues Gebäude zu errichten. Mit diesem Gebäude entstanden die ersten Superlofts.

Wie funktioniert das Konzept?

Jeder Beteiligte wirkt an der Entwicklung mit. Es gibt den Immobilienentwickler, den Architekten und den Hauseigentümer, und gemeinsam entwickeln sie ein neues Gebäude. Jeder Besitzer kann seine Wohnräume auf individuelle Art und Weise gestalten, und die Gemeinschaftsräume werden zusammen geplant. Sie können Lofts verschiedener Form und Größe wählen, mit einer leeren Fläche arbeiten, einen der vorhandenen Grundrisse anpassen oder ein fertiges Loft-Design auswählen. Die Superlofts sind flexible, modulare Gebäude mit einer Vielzahl an möglichen Wohnräumen, die für jeden geeignet sind – vom Berufseinsteiger bis hin zu ganzen Familien. Der gemeinschaftliche Planungsprozess und die gemeinsam genutzten Räume ermöglichen eine neue Form des Wohnens in der Stadt – mit mehr Zusammenhalt und engeren Beziehungen zwischen den Bewohnern, wobei von Fahrrädern bis hin zu Arbeitsplätzen alles gemeinsam genutzt werden kann. Und weil die Gebäude so flexibel sind, lassen sie sich leicht an zukünftige Technologien anpassen und können mit dem kontinuierlichen Wandel in unseren Städten mithalten. Derzeit gibt es in den Niederlanden fünf Superlofts-Projekte, die bereits fertig sind oder sich gerade im Bau befinden, und 16 weitere sind in Städten wie Johannesburg, Berlin und Melbourne geplant.

Sie sprechen von einer „neuen Form des Wohnens in der Stadt“. Ist das etwas, für das Sie sich als Architekt verantwortlich fühlen – Veränderung in der Gesellschaft anzustoßen?

Ich bin hauptsächlich Architekt geworden, weil ich einen sichtbaren Beitrag in der Welt leisten möchte. Ich bin davon überzeugt, dass ich Städte und die Gesellschaft mit unseren Gebäuden beeinflussen und verbessern kann und dass Architektur die Welt zum Besseren verändern kann und sollte. Nachhaltigkeit ist heute eine der größten Herausforderungen, mit der wir als Architekten konfrontiert werden, und ich möchte Superlofts als Mittel zur Innovation nutzen – eine Art Labor, in dem wir all diese nachhaltigen Gebäudelösungen testen und andere inspirieren können. Mit jedem neuen Gebäude versuchen wir, die Grenzen zu erweitern. Das Wissen, das wir beim Bau dieser Superlofts sammeln, ist unser größtes Kapital. Wir hoffen, dass unsere Erfahrung uns hilft, die Architektur in ganzen Stadtvierteln durch Nachhaltigkeit und die ringförmige Anordnung zu optimieren.

Architekt: Marc Koehler
Marc Koehler
Architekten Dialog
Architekten Dialog Marc Koehler

Wo finden Sie die Inspiration, solche Gebäude zu entwerfen?

Die Metapher eines Gebäudes als lebendiges Wesen finde ich sehr interessant und relevant. In meinem Alltag spielt meine körperliche und psychische Gesundheit eine wichtige Rolle. Ich möchte mich als Architekt weiterentwickeln, aber auch als Mensch. Jeden Morgen gehe ich mit meinem Trainer in den Park, und wir machen Sport. Dann unterhalten wir uns ungefähr eine halbe Stunde darüber, was an diesem Tag stressig werden könnte. Ein Gleichgewicht zwischen Körper und Seele zu finden, ist eine enorme Inspiration für mich, und Gebäude können eine Metapher dafür sein. Gebäude sind nicht nur funktionale Konstrukte. Sie brauchen eine Seele, eine Identität. Man muss einem Gebäude Zeit geben zu entstehen, die richtigen Details und Materialien auswählen, dafür sorgen, dass es gesund ist. Gesundheit ist ein wichtiges Motiv für mich – sowohl beruflich als auch privat. Ich betrachte unsere Gebäude als Werkzeuge für die Erschaffung einer gesunden Welt im Gleichgewicht.

Haben Sie diese Philosophie auch bei der Gestaltung Ihres eigenen Superlofts angewendet?

Auf jeden Fall. In einem normalen Wohnhaus ist der Wohnbereich in der Regel unten und das Schlafzimmer oben, aber bei uns ist es umgekehrt. Unsere Küche ist oben, sodass wir oft die Treppe hoch und runter laufen müssen. So bekommen wir eine Menge Bewegung. Das Arbeitszimmer habe ich als multifunktionalen Raum gestaltet, der gleichzeitig als Fitnessraum dient, und über dem Sofa ist eine Eisenstange am Obergeschoss angebracht, an der ich Klimmzüge mache. Pflanzen tragen ebenfalls zu einem gesunden Leben bei. Ihre Blätter filtern schädliche Giftstoffen aus der Luft und produzieren Sauerstoff. Und sie schützen vor Mücken! Daneben arbeiten wir auch mit natürlichen, zeitlosen Materialien wie Holz und Stein. Materialien, die ewig schön bleiben und immer wieder verwendet werden können. All das gehört zu meiner Vision, ein gesundes, nachhaltiges und energieeffizientes Leben zu führen.

Die Küche im Obergeschoss befindet sich an zentraler Stelle mitten in Ihrem Zuhause. Wie hilft dieser Raum Ihnen dabei, ein gesundes, ausgeglichenes Leben zu führen?

Unsere Kücheninsel ist wie ein Tempel für gesunde Ernährung, Lebensfreude und Zeit mit Freunden. Wir haben die Küche als Treffpunkt gestaltet, eine Möglichkeit, aus Kochen und gesunder Ernährung etwas zu machen, das Spaß macht – ein Hobby statt einer lästigen Aufgabe. Dafür war eine gewisse Offenheit erforderlich, und das haben wir erreicht, indem wir Küchengeräte nahtlos integriert und darauf geachtet haben, dass jede Komponente mehr als einen Zweck erfüllt. Die Kücheninsel wird zum Beispiel eher als Tisch genutzt – eine gesellschaftliche Komponente, die gleichzeitig die Gesundheit fördert. Sie ist ein Ort, um zusammenzukommen und über den Tag zu sprechen, ein Ort für Beziehungen.

Siemens Architekt Koehler

Nicht jeder Besitzer eines Superlofts ist Architekt oder Innenausstatter. Helfen Sie bei der Gestaltung, oder wählen und kreieren die Besitzer alles selbst?

Sie haben die Freiheit, alles selbst auszuwählen, von den Küchengeräten bis zur Anzahl der Wände, aber wir versuchen, sie zu inspirieren. Wir arbeiten gerade an einem Buch über die 25 schönsten Superlofts. Darin gibt es viel visuelle Inspiration, aber auch Informationen darüber, wie ein Wohnraum gestaltet wurde und woher die Materialien stammen. Das Teilen von Wissen und Inspiration ist der nächste Schritt für unsere Superloft-Community, und wir hoffen, dass es dadurch noch mehr Gemeinschaft und Zusammenhalt zwischen den einzelnen Superloft-Communites geben wird. Die Menschen, die sich für das Leben in einem Superloft entscheiden, sind oft kreativ und nehmen Dinge gern selbst in die Hand. Und über dieses Netzwerk an Superlofts finden sie Menschen und Unternehmen, die sie unterstützen können. Ich könnte zum Beispiel das Design für unseren Küchenschrank hochladen, und ein Bewohner eines Superlofts in einer anderen Stadt könnte den Plan herunterladen und den Schrank für sich selbst anfertigen lassen. Es ist eine schöne, gemeinschaftlichere Methode, ein Zuhause zu gestalten.

Beeinflusst Ihre Sicht auf Gesundheit und Nachhaltigkeit auch die Materialien und Technologie, die in den Gebäuden verwendet werden?

Unbedingt. Für unsere neuen Gebäude möchten wir nur recycelten Stahl von einem nahegelegenen Hafen verwenden. Wir möchten auch weniger Beton nutzen. Derzeit arbeiten wir sogar mit einem neuartigen recycelten Beton. Mit jedem neuen Gebäude möchten wir die Grenzen des Möglichen erweitern. Dazu gehört es zum Beispiel auch, das Schmutzwasser aus Duschen und Waschmaschinen zu recyceln. Das Wasser wird mithilfe natürlicher Filter aufbereitet und kann für die Toilettenspülung oder den Geschirrspüler wiederverwendet werden. Dadurch verbrauchen Sie etwa 60 Prozent weniger Wasser. Die Böden werden mit Wasser aus dem IJ (einer Wasserader in Amsterdam) gekühlt, und im Winter werden sie mit Energie aus dem nahegelegenen Industriegebiet beheizt. In den Superlofts in Amsterdam-Noord konnten wir die beste Energieeffizienz in den Niederlanden erreichen: -0,34 laut EPC! Die übrige Energie kann an das Netz oder an Nachbarn verkauft werden. Jedes neue Superloft bringt uns einen Schritt näher an eine nachhaltigere Zukunft.

Auch Technologie hat die Art und Weise revolutioniert, wie wir mit unserem Zuhause interagieren, von intelligenten Haushaltsgeräten über Automatisierung bis hin zu Fernsteuerung. Von welchen Technologietrends sind Sie überzeugt?

Es gibt einen schmalen Grat zwischen dem, was nützlich ist, und dem, was die Privatsphäre verletzt. Ich liebe Dinge wie Smart Locks, die es mir und allen, denen ich Zugang gewähre, erlauben, meine Wohnungstür per Telefon aufzuschließen. Mir gefällt auch die Idee von intelligenten Kühlschränken, die Lebensmittel auf Basis automatisierter Verbrauchsanalysen bestellen. Wir sollten klobige physische Steuerelemente zugunsten einer eleganteren Interaktion per Telefon eliminieren, wann immer es möglich ist. Und wenn unsere Geräte und Haushaltsgegenstände von unserem Verhalten lernen und sich so selbst optimieren, umso besser. Ich scheue mich jedoch davor, aus meinem Zuhause einen vollständig messbaren, überwachten Bereich zu machen.

Architekten sind bekannt für ihr geschäftiges, chaotisches Leben. Und Ihr Zuhause ist im Grunde eines Ihrer Projekte. Wie schaffen Sie ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben?

Meine Arbeit ist mein Leben und umgekehrt. Als Architekt kann man der Architektur nicht entkommen, besonders wenn Sie Ihr eigenes Zuhause planen. Wenn ich mich in meinem Haus umsehe, gibt es immer Dinge, die ich heute anders machen würde. Weniger Arbeiten ist keine Option für mich – meine Arbeit ist meine Kunst. Doch unser Hund Tommy hat sehr geholfen, Struktur und Routine in meine chaotische Welt zu bringen. Wir müssen mit dem Hund spazieren gehen, wodurch eine tägliche Routine entsteht, und ich denke, davon braucht jeder etwas, um ein gesundes, ausgeglichenes Leben zu führen. Ich bin bestimmt 20 Prozent glücklicher, seit wir diesen Hund haben!